Sorry, these articles are in German language. As soon I have time, I will translate.

Frankfurter Rundschau, 6. Februar 2008

Teilzeit-Verrückte
Lauf und Sauf
VON JONAS VAN DER STRAETEN

On, on!" röhrt Wolfgang, "the wolf", Gust über den Wiesbadener Vorstadtacker. Dr. Shortcut und Automatic Balls drehen lachend in seine Richtung ab. "Dafür wird er trinken", sagt Dr. Shortcut, und meint den Verantwortlichen für die falsche Fährte, der sie gefolgt sind. Schnell ist eine andere Gruppe Runner eingeholt, deren Lauftempo eher die Grenze zum Walking streift. Nur gut, dass es nicht regnet. Denn alles, was dieses organisierte Chaos, das die "Frankfurt Hash House Harriers" wöchentlich veranstalten, noch verschärfen könnte, scheint wenig ratsam.
Dabei gehören die Personen, die hinter den oft verfänglichen Spitznamen stehen, Alters- und Berufsgruppen an, denen man gemeinhin geistige Zurechnungsfähigkeit unterstellt. Grafiker, Lehrer, Manager sind dabei, US-amerikanische Soldaten und weitgereiste deutsche Geschäftsleute - ein Querschnitt durch die internationale Szene in Rhein-Main. Sonntags um halb drei im Winter und montags um sieben im Sommer treffen sie sich zum gemeinsamen Lauf und Sauf, kurz "hash". Der wird von wechselnden Gastgebern, "hares" genannt, organisiert und sorgt bei rasenmähenden und autowaschenden Nachbarn meist für ungläubige Blicke.

Langer Lauf, kaltes Bier


20 Männer und Frauen in Leggings und Laufschuhen, manchmal sind es bis zu 50, stehen da um ein weißes Mehlzeichen und stimmen auf Englisch ein ziemlich schlüpfriges Hash-Lied an. Das weiße "S" ist ein "song check" und nur einer von zahlreichen Zwischenstopps auf der etwa sechs Kilometer langen Laufroute. Beim "Beer Near" wartet ein kohlenhydrathaltiges Stärkungsgetränk, und dann gibt es ja noch den "Titty check"... Bei letzterem "geht es in Frankfurt noch recht zivilisiert zu, im Vergleich zu anderen Gruppen", versichert Uwe Hörning, Hash-Name "Horny Horn", der in seinen 35 Jahren bei den Hash House Harriers auch schon nackte Tatsachen gesehen haben will.

Mit dem rennenden Unfug begannen anno 1938 britische Staatsbeamte und Geschäftsleute in Kuala Lumpur. Als Abwechslung zum öden Berufsalltag veranstalteten sie wöchentlich Schnitzeljagden durch den malaiischen Dschungel, um sich hinterher in ihrer Clubkantine, dem namensgebenden Hash House, guten Gewissens einen hinter die Binde zu kippen. Auch durch den rheinhessischen Vorstadt-Dschungel läuft der Geist gelangweilter Kolonialisten ein Stück weit mit. Bei den Teilnehmern handelt es sich keineswegs um Vollzeit-Verrückte, viele suchen einen Ausgleich zum Büroalltag. Und stehen nicht allein.

Feuchtfröhliche Rituale

Weltweit bilden 1849 Hash-Gruppen aus 168 Ländern die "world's largest disorganisation". Wenn er in eine fremde Stadt reise, verrät Jürgen Schreiter, "wende ich mich immer an die örtlichen Hashers. Es gibt keine bessere Möglichkeit eine Stadt kennen zu lernen." Immer öfter wird bei ihm nun der hash selbst zum Zweck der Reise. Mit anderen Frankfurter Hashern ist er schon mit der Transsib gefahren und ist unter anderem mit Gruppen in Moskau und Peking gelaufen. Der ehemalige Marathontrainer kam vor neun Jahren zu den Hash House Harriers, nachdem ihm seine Laufgruppe "zu ernsthaft" geworden war.

Denn bei den Harriers geht nach dem wackeren Trimm-Dich niemand zu Multivitaminsaft und Fitness-Müsli nach Hause. Nachdem der "drinking club with a running problem" sein Laufproblem bewältigt hat, beginnt eine Reihe feuchtfröhlicher Rituale. Heute wird ein neues Mitglied getauft, genauer: paniert. Unter großem Gejohle ergießt sich eine Flut von Bier und Mehl über die junge Frau, danach geht es mit Neu-Hasherin "Thumper Pumper" zum Barbecue. "Das anschließende 'socialising' ist genau so wichtig wie der Lauf", hat Heather Cronk schnell erkannt. Die Englischlehrerin aus Kalifornien ist erst seit kurzem dabei und hat die Taufe noch vor sich. Noch kennen sie alle als "Heather". Das aber könnte sich schnell ändern.

 

The "Bildzeitung" in Febuary 2002 ...

The "Echo" in summer 2004 ... a report from Sabine Kemmer:

Hash House Harriers

"A drinking club with a running problem” oder "A running club with a drinking problem” ?

Als ich morgens aufwachte, war ich nicht sehr erfreut, die strahlende Sonne zu sehen. Heute hatte ich mich zum Joggen im Wald mit einem Verein, den Hash House Harriers, verabredet. Nun ist das an und für sich noch nichts Schlimmes – nur komme ich normalerweise über ein gemütliches Spazierengehen nicht hinaus. Na ja, es wird sich schon eine Ausrede finden, wenn ich erst dort bin. Also aufgestanden und zum Treffpunkt gefahren. Als ich auf dem Parkplatz ankam, stand da auch schon eine kleine Gruppe von Menschen – zu meiner Erleichterung wirkten die meisten nicht wie verbissene Sportler, die um jede Minute kämpfen. Ich wurde auch gleich herzlich begrüßt und in die Gepflogenheiten des "Running Clubs" eingeführt. Hier geht es nämlich nicht nur um Sport, mindestens genauso wichtig ist der soziale Aspekt und gemeinsam Spaß zu haben. Schon früh morgens hat der Hase (hare) aus Stöcken, Mehl und sonstigen Hilfsmitteln eine Fährte im Wald gelegt, der die Jäger (hasher) folgen müssen. Dabei gibt es keinen Einzelsieger, sondern das Team hilft sich gegenseitig, indem derjenige, der die richtige Fährte gefunden hat, auf der Pfeife den anderen ein Signal gibt. So, jetzt sollte es auch losgehen. Zu meiner grenzenlosen Erleichterung gab es auch eine Gruppe, die wandert (Walker) – dieser habe ich mich dann auch sofort angeschlossen. Unterbrochen wurde das Laufen durch einen Zwischenstopp, während dem man sich dann der sozialen Komponente zuwenden konnte. Hier trafen sich die Runner und die Walker, es wurde geredet, etwas getrunken und für die nächste Etappe neue Energie getankt. Am Ende der sportlichen Betätigung gab es dann noch ein bisschen Tradition. Alle stellten sich im Kreis auf und in die Mitte des Kreises kamen vom "Religious advisor" (eine Art Unterhaltungschef) ausgewählte Personen – so auch ich als Besucher. Hier musste ich dann – solange die Gruppe den Refrain eines Liedes sang – ein Glas Bier trinken (beim zweiten Mal gab ich dann dem Saft den Vorzug). Nach der Bewegung bei strahlendem Sonnenschein erschien mir das aber weniger als eine Bestrafung als eine willkommene Erfrischung. Die Geschichte der Hash House Harriers geht einige Jahrzehnte zurück. Der Brauch entstand in Malaysia – durch Briten, die dort stationiert waren. Hier war die Bewegung, aber auch der gemeinschaftliche Spaß zur Ablenkung und Unterhaltung sehr wichtig. Die Gemeinschaft der Hash House Harriers ist international, in fast jeder größeren Stadt gibt es so einen Club. Egal, wo auf der Welt man ist, man informiert sich übers Internet, wo ein Treffen stattfindet, geht hin und trifft nette Leute. Auch bei meinem Besuch waren einige Menschen aus anderen Ländern, wie etwa Kanada, USA und Holland dabei. Wer jetzt Lust hat, sich sportlich zu betätigen und den Spaß dabei nicht zu kurz kommen lassen will, kann sich über den folgenden Kontakt näher informieren. Sabine Kemmer

Der Trinkclub mit dem Laufproblem

Ein bisschen Laufen, ein bisschen Saufen – und das mit Leuten aus aller Welt: Die „Hash House Harriers“ sind kein Verein, sondern eine wilde Truppe mit skurrilem Regelwerk.

 Von Sybille Wilhelm

Wenn man irgendwo auf der Welt auf eine Horde trifft, die bunt angezogen ist, viel Lärm macht und einer Spur aus Mehl oder Sägespänen hinterher rennt, ist das vermutlich weder vorgezogener Karneval noch ein Junggesellenabschied. Dann hat man vielmehr die „Hash House Harriers“ gesehen: eigenen Angaben zufolge die größte nichtorganisierte Organisation der Welt, ein „Trinkclub mit einem Laufproblem“. Denn bei diesem Jogging-Club der etwas anderen Art steht das gesellige Beisammensein im Vordergrund, nicht unbedingt die sportliche Leistung. Mitlaufen können deshalb neben geübten Joggern und Marathonläufern auch Anfänger, Kinder und Spaziergänger. Das funktioniert deshalb, weil der Lauf als Schnitzeljagd angelegt ist: Die schnellen Läufer finden beispielsweise an einer Kreuzung drei falsche und einen einzigen richtigen Weg; und bis das geschafft ist, haben die Fußgänger wieder aufgeschlossen. Sicherheitshalber wird der Kreis, der die Wegscheiden markiert, von den verantwortlichen „Hasen“, die die Spur gelegt haben, in die richtige Richtung geöffnet, damit die Nachzügler die Gruppe bei ihrem rund einstündigen Lauf einholen können.

Gegründet wurden die „Hash House Harriers“ (HHH) 1938 in Kuala Lumpur von einigen gelangweilten britischen Geschäftsleuten. Nach dem Krieg entstanden weitere Gruppen in Singapore, Indonesien und Malaysia. Mittlerweile gibt es gut 1500 Gruppen in mehr als 200 Ländern; die Zahl der Mitglieder dürfte bei gut 100 000 liegen. In Deutschland gibt es „Hashs“ in allen größeren Städten. Der Frankfurter Ableger wurde 1987 gegründet und feiert Mitte kommenden Jahres seinen 1000. Lauf mit Hashern aus aller Welt.

Bei den Treffen wird fast überall auf der Welt Englisch gesprochen; aber mit den Sprachkenntnissen verhält es sich dabei ähnlich wie mit der Ausdauer beim Laufen: Man kommt auch ohne durch. Neben der kreischend bunten Kleidung, die Hasher auf den ersten Blick von seriösen Läufern abgrenzt und die man in aller Regel bei jedem Hash erwerben kann, hat die Horde eine Reihe weiterer gewöhnungsbedürftiger Rituale.

Zum Beispiel die Bestrafungszeremonie: Nach dem Lauf gibt es einen „Circle“, also einen Kreis, bei dem die Laufsünden einzelner Läufer bestraft werden. Eine solche Sünde ist zum Beispiel, ein Wettrennen zu Laufen, neue Schuhe anzuhaben oder irgend etwas zu tun, für das ein anderer Läufer eine plausible Sünden-Erklärung findet. Die Strafe, das „Downdown“, besteht darin, einen Becher Bier (auch alkoholfrei) oder bei Kindern Limo in einem Zug auszutrinken. Zuvor wird ein – möglichst zweideutiges – Lied angestimmt.

Eine weitere rüde Besonderheit ist der Hash-Name, den man üblicherweise nach etwas fünf bis zehn Läufen verliehen bekommt. Dieser Name sollte möglichst zweideutig sein und wird von der Runde gemeinsam festgelegt. Getauft wird der Trink-Läufer dann mit Bier und Mehl.

Dieser spezielle Hash-Name ist nicht nur eine weitere verrückte Marotte, sondern wahrt auch die Anonymität. Üblicherweise finden zum Beispiel Kollegen die wilde Freizeitbeschäftigung der Investmentbankerin oder des Arztes nicht so schnell über Google heraus. Beim Hashen sollen nämlich Beruf und Herkunft keine Rolle spielen. So laufen Arbeitslose neben Generaldirektoren und Piloten neben Gelegenheitsjobbern. Dieses zutiefst demokratische Element kann allerdings auch zu Verwicklungen führen. Kürzlich wurde einem amerikanischem Offizier die Mitgliedschaft in der bunten Truppe zum Vorwurf gemacht. Sie wurde als Beispiel für dessen grundsätzlich ungebührliches Verhalten angeführt. Denn es gehört sich nach dem Millitär-Comment für einen Offizier nicht, mit „einfachen“ Rekruten einer derart vertraulichen und hierarchielosen Freizeitbeschäftigung nachzugehen.

Üblicherweise kommen die Trink-Läufer in der Ausübung der Freizeitbeschäftigung nicht mit dem Gesetz in Konflikt. Sie werden höchstens mal von Passanten gefragt, ob sie Hundegift auslegen oder müssen das verdächtige weiße Pulver der Spuren von der Polizei inspizieren lassen.

Sind die Sitten und Gebräuche auch bisweilen schräg, ist die Gemeinschaft doch ein auf der ganzen Welt gut vernetzter Club. Egal, wohin ein Hasher als Urlauber kommt, fast überall kann er sich einer Gruppe anschließen und erfährt auf diese Weise mehr über das Land und die Einwohner, als ein Reiseführer es je beschreiben könnte.

Zudem erleichtert der Club Ausländern, die es beruflich in die weite Welt verschlägt, die Akklimatisierung fern der Heimat. Sie treffen ein paar Gleichgesinnte, können sich auf Englisch verständigen und greifen in noch so entlegenen Weltteilen sofort auf ein soziales Netzwerk zurück.

Die sehr international zusammengesetzten Hash House Harriers in Frankfurt bieten zum Beispiel neben den wöchentlichen Montagsläufen eine Menge weiterer Veranstaltungen an. So trifft sich im Sommer eine kleine Gruppe samstags, um sich nach einem kurzen Lauf ins Nachtleben zu stürzen. Die „Dirty Old Men“, die entweder älter als 50 Jahre sind oder einen Bauchumfang von mindestens 50 Zentimetern haben, treffen sich, um kurz zu laufen und danach um so länger ein Essen im Restaurant zu genießen. Es gibt monatlich einen Vollmondlauf und eine Fahrrad-Schnitzeljagd und zweimal jährlich ein Laufwochenende in den Weinbergen irgendwo in Deutschland, zuletzt in Dresden.

Bei so vielen rührigen Gruppen auf der ganzen Welt hat sich mittlerweile auch ein regelrechter Hash-Tourismus entwickelt. Wer laufen, trinken und die Welt sehen will, kann eigentlich an jedem Wochenende an irgendeinem Ereignis teilnehmen. Helsinki lädt im Winter zum „Hole in the Ice“-Hash ein, der Moskau Hash plant im kommenden Jahr eine Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn, und die Gruppe in Zagreb veranstaltet regelmäßig Segeltörn-Hash an der kroatischen Küste.

Trifft sich die Gruppe, werden eine Mende Anekdoten rund um den Hash erzählt. Einige sind sogar in einem Buch festgehalten. Beispielsweise konnten die Hasher in Brüssel den Wasserkreislauf des Manneken-Pis einmal so manipulieren, dass das Wahrzeichen der Stadt Bier statt Wasser ließ. Und im afrikanischen Maputo wurde zum Abschluß eines Laufes ein alleinstehender Hasher beerdigt, indem seine Asche einem Wasserfall übergeben wurde und alle Läufer ein letztes Bier auf ihn tranken.

Dass die internationale Vernetzung auch in entlegenen Winkeln bestens funktioniert, zeigt die Geschichte eines Frankfurter Läufers. Der Wagemutige wollte 2002 mit dem Motorrad zum „Interhash“ nach Goa fahren. Doch ein pakistanischer Bus machte seiner Reise kurz vor dem Ziel ein Ende: Der Deutsche stürzte und musste ins Krankenhaus. Dass er dort nicht mutterseelenallein Ärzten und Schwestern ausgesetzt war, hatte er dem Club zu verdanken. Seine Freunde alarmierten die Hasher der Region via e-mail, woraufhin die ortsansässigen Läufer ihre Beziehungen spielen ließen.

Auch wenn sich so mancher Läufer in der Anonymität eines Hashs gerne wild, laut und gesetzlos gebärdet: Im Alltag sind die meisten Hash House Harriers ziemlich angepasst. Manchmal sogar ein bisschen zu sehr für eine nichtorganisierte Organisation: Der Frankfurt-Hash ist beim Amtsgericht ganz ordnungsgemäß eingetragener Verein.

  

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 4. Juli 2004